Dem Gemeentemuseum in Den Haag gelingt mit einer großen Retrospektivausstellung die Rehabilitation des „enfant terrible“ der niederländischen Moderne.
Die Galerie Gerdsen trägt als Leihgeber das Titelwerk HET GOEDE MOMENT von 1963 aus eigenem Bestand bei.
HET GOEDE MOMENT, 1963, Radierung,
27 Blätter, zus. ca. 310 x 600 cm,
Galerie Magnus P. Gerdsen, Hamburg
Die Arbeit besteht aus 27 überarbeiteten Radierungen und ist mit ca. 3 x 6 Meter das größte seiner Werke, ein Unikat, keine Auflage. Es handelt sich um das Hauptwerk des Künstlers. Alle Teile sind dem Sammler und Förderer Jan Piers gewidmet.
1964 wurde die Arbeit auf der Documenta III in Kassel im Saal des Fredericianums zusammen mit einer Collage von Henri Matisse, sowie Skulpturen von Alexander Calder und Henry Moore ausgestellt.
Anton Heyboer (1924-2005), hatte ein Arbeitslager in Deutschland überlebt und war schwer vom Krieg traumatisiert. Nach einem Aufenthalt im psychiatrischen Krankenhaus Santpoort zog er sich Ende der fünfziger Jahre für den Rest seines Lebens auf einen Hof in Den Ilp, nahe Amsterdam, zurück.
Aus einem Skizzenbuch für HET GOEDE MOMENT, Gemeentemuseum, Den Haag
Anton und Maria, Vorzeichnungen für HET GOEDE MOMENT, Gemeentemuseum, Den Haag
Mit dem Durchbruch auf der Documenta in Kassel begann sein kometenhafter Aufstieg und Erfolg – der Kraft von Heyboers Werk und seinem einzigartigen Status in der Kunstwelt folgten etliche internationale Museen und richteten ihm Einzelausstellungen aus.
Das MoMA und das Brooklyn Museum in New York kauften und zeigten immer wieder Arbeiten (Radierungen) aus den sechziger Jahren.
Heyboer stellte mit Künstlern wie Lucian Freud, David Hockney, Jean Dubuffet aus.
Er galt neben Joseph Beuys als einer der wichtigsten europäischen Künstler aller Zeiten und wurde als solcher im LACMA in Los Angelos gezeigt.
Im Jahre 1975 erhielt Anton Heyboer, zu dem Zeitpunkt ein Künstler mit bestem internationalen Ruf, eine sehr große Retrospektivausstellung im Stedelijk Museum Amsterdam. Zum ersten Mal präsentierte er auch Gemälde im Großformat. Die Ausstellung kann als ein Höhepunkt seiner Karriere angesehen werden, markiert aber auch das Ende seiner stetig gewachsenen internationalen Reputation. Heyboer hatte zunehmend Schwierigkeiten, seine Rolle als erfolgreicher Künstler zu bewältigen. Nach der Ausstellung zerstörte er fast alle Gemälde, indem er sie mit roter Farbe unkenntlich machte. Er zog sich aus der Kunstwelt zurück und trennte sich von seinen Galerien wie z. B. der renommierten „Galerie der Spiegel“ in Köln und „Espace“ in Haarlem. Fortan verkaufte er seine Werke von seinem Hof in Den Ilp aus und nahm eine zunehmend schelmische Haltung gegenüber Kunst- und Museumsbetrieb ein.
Die Kunstwelt nahm ihn nicht mehr ernst, eroberte er doch die Welt des Showgeschäfts und der Klatschspalten. Der Künstler versank mit seinem Spätwerk in der Bedeutungslosigkeit.
Doede Hardeman, dem Chefkurator des Gemeentemuseums, ist es zu verdanken, dass der Künster jetzt in Den Haag mit seinen Spitzenwerken, meist aus Museumsbesitz, gezeigt und gewürdigt wird. In der Ausstellung wird die Entwicklung seines künstlerischen Schaffens mit dem Schwerpunkt auf die Periode 1956 – 1977 fokussiert.
Der Katalog zur Ausstellung zeigt Neuentdeckungen aus dem Dokumenta-Archiv, bisher unbekannte Fotoarbeiten, sowie etliche Aufsätze von Heyboer-Spezialisten wie Hans Locher, Doede Hardemann, Kees Keijer u.a.
Wir empfehlen den Besuch dieses hervorrangenden Museums und der Ausstellung
Anton Heyboer – HET GOEDE MOMENT, 26. August 2017 bis 4. Februar 2018.
© Piet Gispen photographer/Den Haag